Die Seele der Portugiesen

Nach dem zweiten Museumsbesuch (später mehr) legen wir in unserer Unterkunft mal kurz die Beine hoch. Irgendwo in der Nähe wollen wir gleich ein Glas Wein trinken, da sollte sich etwas finden lassen. Mein Mann liest aus dem Reiseführer vor :

Die legendäre Amalia Rodrigues gilt als Stimme und Seele des Fado. Sie machte das Volkslied auch international bekannt. Die in Armut geborene Autodidaktin schaffte den Aufstieg zur gefeierten Ikone. Seit 2001 ruht Amalia im Panteao Nacional. Damit sie nicht wie üblich erst vier Jahre nach ihrem Tod in dieser ruhmreichen Stätte beerdigt werden konnte, änderten die Portugiesen sogar ein Gesetz.


Also das sollten wir besuchen, wenn das für die Leute hier so ein Heiligtum ist, findet mein Mann. Ich stimme zu. Das sei allerdings eine Sache für Tageslicht, jetzt erst mal den Wein. Wir ziehen los. In der ersten Weinbar sieht es trostlos aus. Die zweite Gelegenheit ist ein Restaurant und proppevoll. Nach dem dritten verlangt meine Begleitung, ich solle endlich auch mal fragen, ob man nur was trinken könne. An einem weiteren Lokal drücken wir uns die Nase an der Scheibe platt. Auch dort ist es total voll. Während wir noch überlegen, kommt der Wirt heraus und bittet uns herein. Wir wollen aber nur einen Schluck… Er wischt jegliche Einwände beiseite und gibt uns den letzten freien Zweierplatz. Dann kommt die Weinkarte und ich erkläre, dass wir mit einem Weißwein beginnen würden. Wir suchen uns etwas fruchtig Leichtes. Weil der Boden im Restaurant sehr uneben ist, kommt das Gespräch auf meinen Unfall mit dem Kellner in San Diego und auf weitere Peinlichkeiten während meiner Sprachreise in Frankreich. Unsere Stimmung ist daher bestens, als wir den Rotwein bestellen wollen. Ich suche aus der Karte aus, was gut klingt. Der Wirt präsentiert die ungeöffnete Flasche und schlägt vor, doch einen anderen fruchtigen Wein zu probieren. Wahrscheinlich will er für uns Touris nicht extra die Flasche öffnen, denke ich kleingeistig. Wir erklären freimütig, zu Hause französischen oder italienischen Wein zu trinken und von hiesigen Produkten keine Ahnung zu haben. Im Lokal ist viel los, eine Geburtstagsgesellschaft ist zu bewirten, zwei Leute wollen bezahlen, andere bestellen ein Dessert. Außerdem ist eine Bedienung neu und muss angelernt werden. Der Wirt lächelt freundlich und bittet um einen Moment Geduld. Er erledigt alles und kommt dann mit frischen Gläsern und drei Flaschen an unseren Tisch. Bevor wir den Rotwein bestellten, sei es ihm ein Anliegen und ein besonderes Vergnügen, mit uns eine kleine Weinreise durch Portugal zu machen. Wir beginnen im Süden, riechen, nehmen einen Schluck, besprechen unseren Eindruck. Es folgt eine Probe aus dem Landesinneren. In einer kleinen Pause kümmert sich der Wirt wieder um seine anderen Gäste. Dann präsentiert er uns seinen Favoriten, einen Wein aus dem Norden. Jetzt erst dürfen wir uns für unser Glas Rotwein entscheiden. Die Mitte hat unseren Geschmack nicht getroffen, ich bleibe beim Süden, mein Mann wählt den Norden. Auf der Hälfte des Glases fällt uns auf, dass wir etwas Brot dazu brauchen. Wir erhalten Beifall für die Idee, eine kleine Käse-Auswahl dazu zu nehmen. Schließlich endet die Feier mit Kuchen und Gesang, die meisten Gäste bezahlen und auch wir sind fertig mit Käse und Wein. Wir unterhalten uns noch, sprechen über Dies und Das und die besondere Mentalität der Portugiesen. Ja, erklärt unser Gastgeber mit leuchtenden Augen. Das sei der Fado. Wir erhalten eine historische Einführung. Mein Mann punktet mit dem frisch angelesenem Wissen aus unserem Reiseführer. Das versetzt den Wirt vollends in Begeisterung. Aus dem Stand trägt er uns mit Herz und Leidenschaft ein Fado – Lied vor, das sogar seine gesamte Küchencrew herauslockt und zum Strahlen bringt.

Es bleibt uns nur, begeistert Applaus zu spenden. Für den Vortrag, den Wein und den ganzen schönen Abend.

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