Zufallsfund

Mit einer Mischung aus Erleichterung, Erschöpfung und Enttäuschung saßen wir in „unserer“ Markthalle vor einem Glas alkoholfreiem Bier. Es war gegen halb sechs und die Sintra-Hölle hatten wir hinter uns gelassen. Bei dem schönen Wetter war in der Markthalle (noch) nichts los, aber in etwa einer Stunde sollte das kleine Jazz-Konzert beginnen, das wir uns als Untermalung für unseren letzten Abend in Lissabon ausgeguckt hatten.

In der Gesamtbilanz, da waren wir uns einig, war Lissabon eine interessante, freundliche, sehr sehenswerte Stadt. Schade, dass wir uns nicht einfach ans Tejo-Ufer gesetzt hatten. Wir suchten uns beide etwas für ein frühes Abendessen aus und schauten zwischendurch nachdenklich in unsere Gläser.

„Ich kenne hier ja sogar noch einen“, sagte mein Mann, „schade, den hätte ich gerne mal getroffen.“ „Sag nochmal woher, ich hab’s vergessen“, nuschelte ich, die Salatblätter zwischen den Zähnen. „Letztes Jahr hatte ich mit dem zwei Mal Kontakt per Email. Ein Programmierer, total nett. Sogar Linguist, das konnte man merken, das Buch war wirklich gut geschrieben. Mit dem würdest du dich bestimmt gerne auch mal unterhalten. Ich hatte das Buch mit seiner Zustimmung in ein pdf-Dokument umgewandelt, damit man es noch lesen kann.“ „Ach ja, ich erinnere mich“, antwortete ich und kombinierte die eingelegte Birne mit einem Häppchen Avocado. „Jetzt ist es ja leider ein bisschen spät. Möchtest du meinen Salat mal probieren, echt lecker!“ Mein Mann probierte den Salat, beurteilte den Baby-Spinat positiv und sah interessiert zu, wie die Drei-Mann-Combo eine kleine Bühne aufbaute. „Das ist ja verrückt“, sagte er plötzlich. „Guck mal der Typ dahinten, der sieht genau aus wie der Buchautor. Der muss einen Doppelgänger haben. Hier, ich zeig dir das Bild von seiner Internetseite.“ Ich schaute auf das Bild, dann auf den großen Mann, der mit einer sehr kleinen Frau in einiger Entfernung an den Ständen vorbeilief, offenbar auf der Suche nach einem Abendessen. „Das ist kein Doppelgänger“, entschied ich nach nochmaligem Blick, „das muss er sein.“ „Nicht zu fassen“, stellte mein Mann fest, „ich frage ihn.“

Von weitem war zu sehen, wie der Angesprochene zunächst sehr skeptisch und zurückhaltend reagierte, während seine weibliche Begleitung über das ganze Gesicht strahlte. Wie auch mein Mann, der einige Minuten später wieder an den Tisch kam und einen weiteren Tisch heranzog, denn die Halle begann sich wegen des Konzertes zu füllen. „Er hat sich erinnert, er will gleich mit uns was trinken, und mit seiner Freundin“, freute er sich. „Ich gebe einen aus.“ Die beiden kamen tatsächlich, hatten sich aber jeder ein Bier mitgebracht. Die Gläser waren kaum leer, da waren wir schon in der schönsten Unterhaltung. Die beiden bestanden darauf, dass wir Green Wine, portugiesischen, sehr jungen Wein, probieren mussten. Dann gab es natürlich noch eine weitere Flasche eines anderen Weines und eine weitere Spezialität, eingelegte Lupinensamen, die man hier wie Oliven nebenbei knabbert. Dann holten wir Pistazien, Mandeln und eine weitere Flasche…Es war ein wunderschöner Abend, nur dadurch getrübt, dass wir für das Taxi zum Flughafen um vier Uhr würden aufstehen müssen. Aber was macht das schon, wenn man am Ostersonntag durch einen Zufall neue Freunde kennenlernen darf!

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