Die Ignoranz der Privilegierten

Die junge Königin empfahl dem Volk, Kuchen zu essen, wenn es kein Brot habe.

Wer ist warum und mit welchem Recht wütend auf wen? Lauter W-Fragen, die umso komplizierter zu beantworten sind, je intensiver man sich damit beschäftigt.

KINO-UPDATE. Wir sind in Gotham City, das aussieht wie ein düsteres, dreckiges New York, dem jeder Baum entrissen wurde. Die Aussage, dass jeder seines Glückes Schmied sei und man nur tüchtig anpacken müsse, um Erfolg zu haben, ist nur eine hohle Phrase. Sie soll dazu dienen, die Kleinen noch kleiner zu machen und ihr Unglück als selbstverschuldet darzustellen. In dieser Gesellschaft lebt Arthur Fleck, der sich als Clown bildlich gesprochen durchschlägt und dafür ganz unbildlich geschlagen wird. Joaquin Phoenix hat sich körperlich malträtiert, um dieser Figur Präsenz und Glaubwürdigkeit zu verleihen. Arthur Fleck ist einsam und krank, dass er sich Liebe und Gesellschaft nur erträumt, wird von der Regie hervorragend umgesetzt. Die Demütigungen nehmen zu und kumulieren in einer TV-Show, in der er gerne als Comedian auftreten würde. Doch der patriarchale Quizmaster (souverän Robert De Niro) will sich auch nur über ihn lustig machen. So wird JOKER geboren. Jenseits der Gesellschaftskritik wird auch klar, dass im Kino die Bösen die viel interessanteren Figuren sind.

Lohnt sich unbedingt, Oscar-verdächtig!

6 Kommentare

  1. „Die Aussage, dass jeder seines Glückes Schmied sei und man nur tüchtig anpacken müsse, um Erfolg zu haben, ist nur eine hohle Phrase. Sie soll dazu dienen, die Kleinen noch kleiner zu machen und ihr Unglück als selbstverschuldet darzustellen.“ Wahre Worte.

    Vor Jahren fiel mir noch mal der Roman „John Workmann wird Millonär“ von Hans Dominik in die Hände. Ich hatte den Schund als 10-jähriger gelesen und schon damals am darin propagierten American way of Life und dem Motto „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ gezweifelt. Schön, dass Hollywood diesen Myhos des US-Pragmatismus selbst entlarvt.

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  2. Folgendes habe ich gerade auf dem Blog Cinematik von Felix geschrieben. https://theblogcinematic.wordpress.com/2019/10/11/joker-der-amoralische-protagonist-und-die-kluft-zwischen-arm-und-reich/
    Passt hier auch:
    „Ich habe mir den Film gestern angesehen und war positiv überrascht. Nachdem ich einen Trailer gesehen hatte, wollte ich ihn mir erst gar nicht ansehen. Überdrehte psychopathische Kunstfiguren gibt es im Film zur Genüge und sie gehören nicht zu meinem liebsten Freizeitvergnügen. Die Kritiken über die herausragende schaupielerische Leistung des Hauptdarstellers haben mich jedoch neugierig gemacht. In der Tat empfindet man, von Symphatie und Verständnis über Mitleid bis zu Ekel und Angst für, bzw. vor den Protagonisten, viele teils ambivalente Gefühle. Beeindruckend! Die politische Dimension des Films hat mir allerdings am besten gefallen. Endlich mal kein Milliardär der heimlich in Superheldenkostüme schlüpft, um grundlos böse gewordene Menschen zu jagen, sondern ein vom System produzierter Antiheld, der sich verzweifelt gegen jenes System auflehnt. Leider mit den falschen Mitteln und ohne politischen Anspruch.“

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