Um ins Kino zu gehen, passt genau ein Abend, an den anderen haben wir zu tun oder müssen zwecks Erholung schlaff auf dem Sofa verweilen. „Es läuft aber nur die OmU“, stelle ich im Programm lesend fest. „Ist doch nicht so schlimm“, sagt mein Mann und soll Recht behalten. Es war nicht nur „nicht schlimm“, sondern für diesen Film atmosphärisch sehr stimmig.
KINO-UPDATE.
Denn bei der weiblichen Hauptfigur Freddie handelt es sich um eine Französin in den Zwanzigern. Sie ist ganz offensichtlich asiatischer Herkunft, aber in Frankreich aufgewachsen. Ohne Wissen ihrer Adoptiveltern ist sie nach Korea geflogen und gibt ihrer Gastschwester vor, eigentlich gar nicht nach ihrer Herkunftsfamilie zu suchen, was allerdings nicht stimmt. Die beiden unterhalten sich, je nachdem, wer sonst noch dabei ist, auf Englisch oder Französisch. Freddie wendet sich schließlich mit der Hilfe ihrer Freundin an die koreanische Adoptionsagentur, in der man ihr eine Kopie der Akte vorlegt und anbietet, nach den Regeln der Agentur die getrennt lebenden Eltern zu kontaktieren.
Es meldet sich der Vater. Ein Mann mit viel schlechtem Gewissen, einem ausgewachsenen Alkoholproblem und einer Familie, die die verlorene Tochter gerne aufnehmen und gerne zurück nach Korea verpflanzen möchten. Die Oma kann ihre Hände nicht von der vermissten Enkelin lassen und bittet ständig um Vergebung. Der Vater bietet an, für seine Tochter den passenden Mann zu suchen, damit sie schnellstmöglich nach Korea ziehen kann. Dies alles muss seine zweite Frau der verstörten und fassungslosen Freddie in gebrochenem Englisch wiedergeben.
Der Film begleitet Freddie auf der weiteren Suche nach ihrer Mutter und einem Sinn im Leben. Distanz und Nähe zum leiblichen Vater wechseln je nach Lebensphase. Die kulturellen Gräben zwischen Westeuropa und Korea werden, manchmal komisch, manchmal befremdlich, gut verdeutlicht. An Freddie wird deutlich, wie schwer der Weg zur eigenen Identität sein kann.
Freddie ist keine „Nette“, deren Weg man durchgehend liebevoll verfolgt. Ihre Geschichte in Return to Seoul ist aber sehr interessant, was man über Korea mitbekommt, sowieso.
Im Nachgang liest mein Mann sich ein über die Schauspielerin Park Ji-min, die hier ihr Debüt gibt und dem Regisseur Davy Chou mit starken Eingriffen in Drehbuch und Inszenierung gleich gezeigt hat, wo es lang geht. Eigentlich ist sie Künstlerin. Ihre Familie ist früh nach Frankreich ausgewandert, so dass sie die Zerrissenheit zwischen den Kulturen perfekt nachempfinden kann. Das Adoptionsproblem kennt sie aus dem Freundeskreis.
Ich beschäftige mich mit Korea und lese nach, dass Korea zu den Ländern gehört, das sehr viele Kinder zur Adoption freigegeben hat, zunächst nach dem Koreakrieg in den 50er Jahren, aber auch später aus wirtschaftlichen Gründen. Erst in den letzten Jahren ist man dazu übergegangen, die Adoption im Inland zu verstärken. In vielen Ländern haben die Betroffenen Vereine gegründet.

An vielen Stellen kann man nachlesen, dass die Forschung nach der Herkunft manchmal zu befriedigenden Ergebnissen führt und ein dauerhafter Kontakt zu den leiblichen Verwandten entsteht, häufig aber neue Wunden aufreißt oder offen lässt, da die Eltern sich nicht finden lassen oder – vielleicht genau so schlimm – sich als Menschen herausstellen, die man lieber nicht hätte kennenlernen, von denen man aber auf keinen Fall würde abstammen wollen.
Dass es so viele adoptiert Kinder aus Korea gibt, ist mir ganz neu. Ist das ein hauptsächlich französisches Phänomen?
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Nein, die meisten sind in die USA „vergeben“ worden, aber Frankreich scheint in Europa schon auf Platz zwei der Zielländer zu liegen. Die Koreaner haben da inzwischen eine Art kollektives Schuldbewusstsein entwickelt. Trotzdem sind aber ledige Mütter noch immer gesellschaftlich geächtet und das Problem nach wie vor nicht gelöst.
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Auslandsadoptionen sind noch mit weit mehr Verantwortung verbunden als inländische, besonders wenn es um die Suche nach der Identität bzw. den leiblichen Eltern geht.
Ich habe vor vierzig Jahren zwei Mädchen aus Sri Lanka adoptiert und mich bewusst gegen eine Agentur entschieden. War dann selbst für einige Wochen dort und habe mich informiert. Auch die Adoption wurde in Colomba bei Gericht durchgeführt, Pässe ausstellen lassen. Meine Anträge habe ich direkt bei den Regierungen gestellt: Sri Lanka, Indien, Bolivien. Bei einem Mädchen war erst die Mutter, dann die Großmutter verstorben. Die Mutter des zweiten war gerade erst 13 Jahre alt und ich habe sie beide täglich gesehen. Wir waren sehr vertraut. Ich habe ihr vorgeschlagen, sie ebenfalls mitzunehmen. Das wollte sie aber nicht. Sie wollte zurück zu ihrer Familie, die ihr einen Ehemann suchen sollte. Das jedoch ging nur ohne Kind. Habe ihr dann wenigstens Schmuck für die Aussteuer gekauft. Lange belastet hat mich das Wissen, dass dieses Kind offiziell nicht vorhanden sein durfte, ohne das Leben der Mutter zu zerstören.
Bzgl. der Identität habe ich u.a. Musik und Märchen aus Sri Lanka zuhause gehabt, den Budddhismus nähergebracht. Was ich vor meiner Reise auch schon meinen beiden Jungs vermittelt/vorgelesen hatte. Singhalesisch habe ich auch versucht zu lernen. Da bin ich kläglich gescheitert, nur Bruchstücke gelangen mir.
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Danke für deine Geschichte. Adoptionen ins Ausland grundsätzlich untersagen zu wollen, ist in vielen Fällen auch nicht hilfreich, gerade wenn im Land selbst große Armut herrscht und/oder Mädchen unerwünscht oder mit der Verpflichtung einer hohen Aussteuer verbunden sind. Dass du an Singhalesisch gescheitert bist, kann ich mir lebhaft vorstellen, da ich allein bei den Namen meiner Schülerinnen und Schüler aus Sri Lanka böse ins Stolpern komme.
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Von Untersagen halte ich auch nichts. Mädchen als Waise oder gar mit Kind haben oft keine Wahl als sich zu prostituieren oder zu verstümmeln und zu betteln. Aber ich vetraue den Agenturen nicht. Sie erhalten soviel Geld pro Vermittlung, dass mitunter auch Kinder auf Bestellung geboren werden, die es sonst gar nicht gäbe und ohne Narben auf der Seele ist kein adoptiertes Kind. Außerdem finde ich es bedenklich bis unmöglich, so ein Zwergerl nur mit fremder Aufsichtsperson um die halbe Welt zu schicken, ohne dass es weiß, wie ihm geschieht. Mir war wichtig, schon vor Ort eine feste Bindung aufzubauen.
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Ein Film im Originalton zu hören hat eine andere Qualität. Stimmt!
Die Adoption hat ähnliche Konsequenzen wie die Migration. Mit dem einen Unterschied…man sucht nicht nur nach den Wurzeln in der Heimat. Sondern auch noch nach Menschen die man nicht kennt. Danke für diesen guten Beitrag, Maria
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Danke für dein positives Feedback. Eine schwierige Angelegenheit, die man als Eltern von adoptierten Kindern begleiten muss. Ich bin sicher, dass die meisten sich redlich bemühen, die Kinder zu unterstützen. Im Film war es so, dass die Hauptfigur die Hilfe der Adoptiveltern deutlich ablehnte. Auch das ist nachvollziehbar.
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