Geschriebenes

Habe ich mir mal gegönnt: Einen Workshoptag zum kreativen Schreiben. Aus dem ersten Teil zu Kürzestgeschichten hier eines der Ergebnisse.

Über etwas, das gestohlen wurde

Zu Beginn bemerkte es niemand. Kein Mensch hätte in die Tasche schauen wollen, die schäbig und abgeranzt an der immer gleichen Stelle der Garderobe hing. Zusammen mit einer Jacke, deren Farbe vielleicht einmal blau oder grün gewesen war. Auffällig war, dass zwischen dieser und einer nächsten Jacke immer mindestens zwei Bügel frei blieben. Obwohl diese Garderobe ansonsten bis zum Bersten gefüllt war. Ähnlich war es an ihrem Tisch im Lehrerzimmer. Alle drei Stühle waren noch frei, während sich an den anderen Tischen mindestens zwei einen Stuhl und den Ablageplatz teilten. Ob sie diese Distanzierung selbst bemerkte, war schwer zu sagen. Stöhnend und Selbstgespräche führend schluffte sie sich in den Unterricht und wieder zurück. Von den Kindern hörte man gerüchteweise, sie sei nur auf den ersten Blick schrecklich mit ihren wirren grauen Haaren und der schmierigen großen Brille. Ganz in Ruhe unterrichten, das konnte sie anscheinend. Bis zu dem Tag, wo das Ding aus ihrer Tasche verschwand. In Panik lief sie durch die Schule, manche spürten einen Anflug von Mitleid, die meisten waren etwas angewidert. Zuerst wurde das Sekretariat um Hilfe gebeten. Danach suchte der Hausmeister zusammen mit Freiwilligen aus der Oberstufe die gesamte Schule ab. Schließlich musste das Kollegium die Taschen leeren. Auch die herbeigerufene Polizei konnte nicht helfen.

Das Lieblingstaschentuch der Schulleiterin war und blieb verschwunden.

5 Kommentare

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s