Rituale

Den Freitagmorgen beginne ich mit Schwimmen und anschließenden frischen Brötchen zum Frühstück. Wichtiger Bestandteil ist die eingehende Lektüre und Besprechung des allwissenden Prisma-Horoskops, das mir und meinem Mann vernünftiger Weise vorschlägt, uns stärker um unsere Gesundheit zu kümmern, unserem Sohn bescheinigt, dass gerade alles prima läuft und bei unserer Tochter vor einem finanziellen Engpass warnt. Eigentlich habe ich mir persönlich Zuspruch für eine andere Angelegenheit erhofft. Zu den typischen Ritualen des Jahresbeginns zählt ja auch das Aufräumen, und aus mir unerklärlichen Gründen habe ich dafür immer viel zu wenig Zeit. So sieht es in einigen Ecken aus wie bei den inzwischen fast sprichwörtlichen Flodders. Ein Zen – Meister wüsste sicher einiges über die Notwendigkeit der Ordnung zu sagen. Vielleicht muss man dafür Japaner sein – habe ich bis gestern gedacht. KINO-UPDATE. Im Film Shoplifters – Familienbande, der die Goldene Palme in Cannes gewonnen hat, wird eine Familie vorgestellt, die den Flodders sehr nahe kommt. Ich hatte von Japan bisher die gut funktionierenden Menschenmassen und etwas Teezeremonie – Folklore im Kopf. In diesem Film geht es, ganz ohne Drücken auf die Tränendrüsen, um das Leben am unteren Rand. Man erhält eine Einführung in geschickten Ladendiebstahl, interessante Formen der Prostitution und vor allem viel Menschlichkeit. Denn die Menschen, die in der winzigen kalten oder viel zu heißen Wohnung beieinander hocken, sind keine genetische, sondern vielmehr eine Wahlfamilie. Wie sich diese Menschen um die kleine Yuri kümmern, indem sie sie entführen, ist sehr rührend. Auch berührend ist, wie ein einfacher Mann versucht, ein guter Vater zu sein. Warum er den Kindern das Stehlen beigebracht habe, wird er gefragt. Der schaut zerknirscht. Er könne leider nichts anderes. Ein Film ganz jenseits des Mainstream, ohne Spezialeffekte und keine Minute langweilig. Empfehlenswert.