Kleines und Großes

Fußballdeutschland freut sich mit Bayer oder reibt sich die Hände über den dritten Platz der Bayern, im Münsterland sind heute alle Preußen-Fans, denn der Aufstieg in die zweite Bundesliga ist gelungen. Im WhatsApp-Status von Kollegen und Nachbarn tummeln sich Adler und schwarz-weiß-grüne Schals. Und sogar das Wetter hat mitgespielt und den für viel früher angekündigten Regen auf den Abend verschoben. Was wiederum bedeutete, dass wir einen ausgiebigen Gang über den trubeligen ersten Promenadenflohmarkt der Saison machen konnten. Ich erwarb eine tolle Jeans für sage und schreibe 50 Cent, der Kapitän für den gleichen günstigen Kurs ein vollständig erhaltenes Motorboot-Quartettspiel aus den 70ern.

Aber was rede ich, es gibt dringend etwas nachzuliefern. KINO-UPDATE DOUBLE-FEATURE.

In der Grafschaft Sussex liegt ebenso beschaulich wie bieder die Ortschaft Littlehampton, in der es seit kurzem gar nicht mehr langweilig ist. Ausgerechnet das alte, fromme Mädchen Edith Swan, noch immer wohnhaft bei den Eltern und für eine Ehe inzwischen viel zu alt (wir sind in den zwanziger Jahren), erhält seit einiger Zeit Briefe skandalös-obszönen Inhalts. Die Mutter ist bei jeder Verlesung der Ohnmacht nahe, der Vater tobt vor Wut und Edith geniert sich furchtbar, genießt aber ein winzigkleines bisschen die große Aufmerksamkeit, die sie in ihrem bisherigen Leben vermisst hat. Jeder weiß, oder meint zu wissen, dass Briefe mit derart phantasievollen Schmähungen unterhalb der Gürtellinie eigentlich nur von Ediths Nachbarin stammen können, der alleinerziehenden Rose Gooding aus Irland mit dem frechen Mundwerk und der ganz und gar nicht anständigen Lebensweise. Nur wenige Menschen zweifeln an ihrer Schuld, unter anderem Police Officer Gladys Moss, der unsagbar auf die Nerven fällt, wie ignorant und selbstherrlich ihre Kollegen und Vorgesetzten in diesem Fall verfahren. Ihr Chef untersagt ihr sogar ausdrücklich, eigene Nachforschungen anzustellen. Doch die Wut und Verzweiflung von Rose rühren sie, es droht der Entzug des Sorgerechts. Derweil sonnt sich Edith in neuem Glanz, sogar eine Predigt soll sie bald sprechen dürfen. Dann gibt es plötzlich eine neue Welle von Briefen und niemand im Ort ist mehr sicher vor unliebsamer Post.

Den drei Hauptdarstellerinnnen Olivia Colman, Jessie Buckley und Anjana Vasan zuzusehen, bereitet großes Vergnügen, während einem Timothy Spall als widerlich-despotischem Vater eine Gänsehaut nach der anderen beschwert. Sehr unterhaltsam! Klare Empfehlung für Kleine schmutzige Briefe.

Gemein, hinterhältig, auf den eigenen Vorteil bedacht. Diese drei hervorstechenden Eigenschaften von Menschen spielen eine besondere Rolle in einem Film, in dem Menschen nur am Rande vorkommen. In der Beschreibung bei Wikipedia läuft er als Science-Fiction-Actionfilm – und nichts davon trifft es gut. Noa lebt mit seinem Clan in einem kleinen Dorf. Ein großer Tag steht bevor, die sogenannte Bindung. Als Aufnahmeritual in die Welt der Erwachsenen müssen Adlereier gestohlen werden. Die gefährliche Mutprobe führt dann dazu, dass junge Adlerküken aufgezogen und abgerichtet werden. Unter anderem wird so die Nahrung für den Clan gesichert, denn die Adler fangen Fische. In der Nacht vor dem großen Ritual wird das Dorf von einer brutalen, maskierten Bande überfallen und verschleppt. Dies merkt Noa aber erst, als er von dem waghalsigen Versuch zurückkommt, ein zweites Ei zu holen, denn das erste wurde zerbrochen. Auf der Suche nach seiner Familie trifft Noa auf den weisen Raka, außerdem schließt sich ein Mädchen an. Schon jemand drauf gekommen? So beginnt ein Film, der Planet der Affen: New Kingdom heißt und Hauptfigur Noa ist ein Schimpanse, der mit deutlich mehr positiven menschlichen Eigenschaften aufwartet als das Mädchen Mae. Der Film geht dann bei weitem interessanter weiter als ich erwartet hatte, auch habe ich zwischendurch oft nicht mehr darüber nachgedacht, dass es hier  Schimpansen, Berggorillas und Orang-Utans sind, die sich mit Fragen von Macht, Ethik, Zusammenhalt, Gewalt und Heimat auseinandersetzen. Wer jemanden begleiten muss, aber selbst auf sprechende Affen keine Lust hat, dem sei empfohlen, sich auf die Darstellung der Landschaft zu konzentrieren. Sehr gelungen, wie die Natur sich eine Großstadt zurückerobert.

3 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar